Sa, 29.07.2006 |
ca. 5 Uhr |
Es ist Zeit für mich (Matthias) aufzustehen, da um 5 Uhr
mein letzter Dienst vor meinem 3wöchigen Urlaub beginnt. Karen
verabschiedet mich mit der eigentlich scherzhaft gemeinten
Bemerkung "Ich bin übrigens immernoch schwanger". Bis 7:15 Uhr
verläuft mein Frühdienst völlig normal, alle Bewohner sind gut
gelaunt und wohlauf. |
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ca. 7:15 Uhr |
Das Telefon klingelt und Karen meldet sich mit den Worten
"Hallo Schatz, meine Fruchtblase ist um 6:30 Uhr mit einem
leisen "blobb" geplatzt !" Ich versuche ruhig zu bleiben und
habe schnell eine Kollegin gefunden die meinen Frühdienst
weitermachen kann (DANKE Renate !!). |
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ca. 8:30 Uhr |
Wir besorgen uns noch etwas zum Frühstück und treffen
relativ gelassen im Kreißsaal des Krankenhauses Neumarkt ein.
Eine nette Hebamme namens Elisabeth öffnet uns und eine Ärztin
führt erste Untersuchungen durch (CTG, Ultraschall). Für Karen
sind noch weit und breit keine Wehen zu spüren. |
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ca. 10 Uhr |
Wir werden mit unseren Unterlagen auf die Station 2C ins
Zimmer 55 geschickt. Dort stellen wir aber nur schnell unsere
Tasche ab, denn nun beginnt ein lang andauerndes Spazierengehen
und Treppensteigen. Dies soll dazu führen, dass die Wehen
einsetzen und das Baby weiter
ins Becken rutscht ... angeblich zumindest .. ! |
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ca. 13 Uhr |
Wir melden uns wieder beim Kreißsaal und Anita - unsere
zweite Hebamme - gibt Karen nach einem weiteren CTG eine
viertelte Tablette zum Einleiten der Wehen. Anschließend schickt
sie uns wieder auf die Reise durch die Treppenhäuser und
Rosengärten des Krankenhauses. Es sind noch immer keine Wehen zu
spüren. |
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ca. 16:45 Uhr |
Nachdem wir uns im Garten "ausgetobt" haben werden wir
wieder im Kreißsaal erwartet. Karen bekommt nun eine halbe
Tablette um endlich die Wehen einzuleiten. |
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ca. 17:30 Uhr |
Es treten erste leichte Wehen auf, wir gehen aber weiter
brav durch den Rosengarten spazieren. Die Namen der vielen
Rosensorten sind keine weitere Hilfe bei der Suche nach dem
Namen für unsere Tochter - "Erotica", "Ingrid Bergmann" oder "Montezuma"
soll sie ja nun wirklich nicht heißen - außerdem steht der Name
für uns ja eh schon fest. |
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ca. 18:30 Uhr |
Es treten stärkere Wehen auf und wir werden uns mehr und
mehr bewußt, dass es jetzt nicht mehr lange dauern kann, bis wir
Mutter und Vater sind - eine schöne, aber noch immer
unglaubliche Vorstellung. |
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ca. 19 Uhr |
Karen bekommt im Zimmer ihr Abendessen und auch ich versuche
mich noch zu stärken - es könnte ja schließlich noch eine lange
Nacht werden ... ! |
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ca. 19:30 Uhr |
Wir treffen wieder im Kreißsaal ein, denn Karens Wehen werden
immer stärker. Von draussen dringen die Laute von kreischenden
Mädchen an unsere Ohren, was aber nicht etwa mit Schwangeren zu
tun hat, sondern mit der Tatsache, dass am Volksfestplatz nebenan
die Teenieband "Tokio Hotel" ein Konzert veranstaltet. Ob unsere
Tochter durch diese Musik geprägt wird ? Wir entscheiden uns
dafür, das Fenster bis Konzertende zu schließen ... ! Unsere
nette dritte Hebamme Kathrin hofft, dass von den Mädchen, die
gleich mit Kreislaufbeschwerden ins Krankenhaus eingeliefert
werden, keine schwanger ist ... ! ;) |
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ca. 21:30 Uhr |
Die Wehen werden sehr stark und kommen bereits in sehr
kurzen Abständen. Die Untersuchung ergibt, dass sich der
Muttermund bereits 2-3cm geöffnet hat, das Baby aber noch nicht
weiter ins Becken gerutscht ist. Ich versuche Karen so weit wie
möglich zu unterstützen, irgendwie komme ich mir aber recht
hilflos vor. |
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ca. 22 Uhr |
Die Wehen sind jetzt richtig heftig und Karen bekommt auf
Wunsch eine PDA gelegt (über den Rücken wird ein Mittel gegen
ihre Schmerzen gespritzt). Karen ist danach sehr erleichtert und
wir schlagen den Erfinder der PDA für einen Nobelpreis vor. |
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ca. 23:30 Uhr |
Der Muttermund hat sich mittlerweile auf 5-6cm geöffnet, es
geht momentan also recht schnell voran. Die Schmerzen der Wehen haben sich
dank der PDA vorübergehend verabschiedet. |
So., 30.07.06 |
ca. 0:10 Uhr |
Mittlerweile ist der Muttermund bereits etwa 8cm geöffnet,
der Kopf hat sich aber noch nicht richtig nach unten geschoben.
Bei "Krümel" wird am Kopf eine Elektrode angelegt, um damit ihren
Herzschlag besser kontrollieren zu können. Die Wehen werden
wieder etwas stärker - Kathrin entscheidet sich für ein leichtes
Nachspritzen der PDA. |
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ca. 1 Uhr |
Die PDA wird nochmals nachgespritzt, Karen kann sich weiter
relativ gut ausruhen, auch noch in den nächsten 2-3 Stunden. |
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ca. 4 Uhr |
Die Wehen werden wieder stärker, v.a. treten jetzt bei jeder
Wehe starke Schmerzen in Karens rechter Leistengegend auf. Es
wird eine weitere PDA nachgespritzt. |
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ca. 5 Uhr |
Karen soll erste Preßversuche machen, ihre Schmerzen in der
Leiste werden aber immer extremer. Kathrin kann sich diese
Schmerzen nicht erklären, hat sowas noch nicht erlebt. Das
Köpfchen wandert nur sehr langsam ins Becken, die Körperlage ist
bereits in Ordnung. |
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ca. 6:45 Uhr |
Die Wehen nehmen weiter zu, sowohl in der Intensität als
auch in der Dauer. Bei jeder Wehe steigen auch die Schmerzen in
der Leiste, Karen kann beim besten Willen nicht mehr pressen.
Der anwesende Arzt wird hinzugezogen, dieser kann sich die
Schmerzen auch nicht erklären, da bei Karen keine vorherigen
Leistenprobleme bekannt sind. Nach etwas Bedenkzeit und der
Feststellung, dass die Geburt keinesfalls auf normalem Wege über
die Bühne gehen kann, wird der Oberarzt gerufen, der uns 2
Lösungsmöglichkeiten anbieten kann : Vakuumentbindung
(=Saugglocke) oder Kaiserschnitt. Gegen den Kaiserschnitt
spricht allerdings die Tatsache, dass das Baby doch schon zu weit
ins Becken gerutscht ist und die Gefahr für Mutter und Kind
relativ hoch ist. Die Risiken einer Vakuumentbindung sind etwas
geringer, weshalb wir uns für diese Lösung entscheiden. Karen
will vor allem dass die Geburt baldmöglichst beendet ist, egal
wie. Und ich, ich sitz wie ein Häufchen Elend daneben und kann
wieder nicht viel helfen. Meine zwischenzeitige Müdigkeit habe
ich überwunden - oder denke ich einfach nur nicht daran, dass ich
in diesem Moment müde sein könnte ?!?! |
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ca. 7:45 Uhr |
Die Entbindung mit der Saugglocke beginnt. Einer der beiden
Ärzte drückt auf Karens Bauch, während der andere versucht das
Köpfchen des Babys mit der Saugglocke zu erwischen. Karen muss
natürlich trotz aller Leistenschmerzen weiter bei jeder Wehe
pressen. |
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ca. 7:49 Uhr |
Ich kann nach einer recht heftigen Wehe das Köpfchen unseres
Mädchens sehen und hoffe darauf, dass sie bald nach der Geburt
ein Lebenszeichen von sich geben wird. Die Ärzte und Kathrin
stehen auch sichtlich unter Anspannung. Karen hat bei jeder Wehe
höllische Schmerzen. Sie merkt jetzt aber auch, dass die Geburt
unserer Tochter sehr nahe ist und mobilisiert nochmal ihre
letzten Kräfte. Die nächste Wehe könnte bereits die letzte
sein... ! Von dem nötigen Dammschnitt hat Karen nichts gespürt,
die Wehenschmerzen haben diese Schnittschmerzen wohl
übertroffen. Außerdem wirkt ja noch die PDA. |
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ca. 7:52 Uhr |
Die schönste Minute in meinem bisherigen Leben !!! Ich kann
beobachten, wie der Körper unserer Tochter zur Welt kommt, wie
AMELIE (jetzt heißt sie ja nicht mehr Krümel) einen lauten
Schrei von sich gibt und auf Karens Bauch gelegt wird. Kathrin
ruft "7:52 Uhr, ein Mädchen" und ich kann meine Tränen nicht
mehr halten. Der Anspannung und Angst der letzten Stunden folgt
ein unbeschreibliches Glücksgefühl, es ist einfach nur
wunderschön. |
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ca. 8:15 Uhr |
Nachdem uns Katrin und die Ärzte für ein paar Minuten
alleine mit unserer Tochter gelassen haben, versucht ein Arzt
nun die Nachgeburt zu holen. Bei diesem Versuch reißt die
Nabelschnur. Die Plazenta muss also manuell entfernt werden, da
sonst eine innere Verblutung droht (da der Körper wohl denkt,
dass sich noch immer ein Kind in ihm befindet, das mit Blut
versorgt werden muss). Kathrin schickt mich mit Amelie in einen
Aufenthaltsraum - sie meint dass ich mir das Entfernen der
Plazenta besser nicht mit ansehen sollte. Die Blutspuren und Karens Erzählungen deuteten später darauf hin, dass sie mit
dieser Aussage genau richtig lag. |
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ca. 8:45 Uhr |
Während bei Karen die Plazenta entfernt wird und der
Dammschnitt zugenäht wird, Kathrin mich diesbezüglich beruhigen
kann, sitze ich mit Amelie in meinen Armen auf einem Sofa neben
dem Kreißsaal. Es befinden sich noch etwas Blut und Käseschmiere
an ihrem Körper, aber sie ist schon jetzt das hübscheste Baby
auf der ganzen Welt. Ich bin jetzt tatsächlich PAPA, Karen
tatsächlich MAMA - unglaublich, aber wahr !! |
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ca. 9 Uhr |
Wir dürfen zurück zu Karen in den Kreißsaal. Amelie wird
noch kurz gebadet und gewickelt, dann lege ich sie wieder auf
Karens Bauch. |
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ca. 9:45 Uhr |
Karens Bett wird in einen Nebenraum geschoben, wo Amelie zum
ersten Mal in ihrem Leben an Karens Brust zum Trinken angelegt
wird. So ganz wohl scheint sie sich dabei noch nicht zu fühlen,
wird dies aber sicherlich in den nächsten Tagen und Wochen noch
besser lernen. In der Zwischenzeit informiere ich die
frischgebackenen Großeltern, die hörbar begeistert sind. |
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ca. 11 Uhr |
Karen wird in ihrem Bett und zusammen mit Amelie in ihr
Zimmer 55 auf Station 2C gebracht. Ich mache mich im Halbschlaf
auf den Weg nach Hause, kann dort aber auch nur schwer
abschalten, obwohl ich mittlerweile seit über 30 Stunden auf den
Beinen bin. Aber egal, meine Glückshormone sind stärker als die
Müdigkeit und ich freue mich jetzt schon auf den Nachmittag,
wenn ich meine beiden Mädels wieder besuchen kann !!! |
Wir möchten uns auch an dieser Stelle bei allen
bedanken die dazu beigetragen haben, dass diese schwere Geburt
unserer Tochter trotz aller Komplikationen doch noch zu einem
solch glücklichen Moment in unserem Leben geführt hat. Vor allem
bei der Hebamme Kathrin, die uns immer wieder Mut zugesprochen
hat und immer für uns da war ! DANKE !!! |